Nennen wir als „historische Gattungen” zwei Arten von Literaturgattungen:
- den historischen Bericht,
- den historischen Roman (d.i. entweder ein Märchen/eine Fiktion, die einen historischen Bericht vortäuscht, oder eine zweckmäßig geschriebene verlogene Geschichte).
Es ist zu bemerken, dass:
- wenn jemand eine verlogene Geschichte schreibt, dann wählt er keine spezielle literarische Gattung, die dafür verwendet würde. Ganz im Gegenteil – jeder, dem daran gelegen ist, seine Leser anzulügen, macht alles, damit sein „Werk“ als eine wahre Geschichte gehalten wird. Um sein Ziel zu erreichen, verwendet ein solcher „Verfasser“ dieselben literarischen Mittel, die von Verfassern wahrer Geschichten benutzt werden.
- der obige Punkt den Verfasser betrifft. Und wie sind Merkmale des Textes einer verlogenen Geschichte? Man muss feststellen, dass der Text sich hinsichtlich der literarischen Form (der literarischen Gattung) vom Text einer wahren Geschichte nicht unterscheidet.
- man nach der Besprechung der Eigenschaften des Verfassers und seines Textes noch Möglichkeiten und Nicht–Möglichkeiten der Leser berücksichtigen muss:
- Es wird dem Leser oder dem Forscher nie gelingen, mit Hilfe eines Sprachkriteriums einen historischen Bericht (d.h. eine wahre Geschichte) von einem historischen Roman (d.h. von erdachten Erzählungen) zu unterscheiden, denn die gleiche Grammatik und dieselben sprachlichen Mittel kommen in beiden historischen Literaturgattungen vor;
- Deshalb darf man bei der Bibelforschung nicht im voraus annehmen, dass ein nach den Regeln der historischen Literaturgattungen geschriebener Text kein historischer Bericht ist, sondern lediglich ein Roman (historische Fiktion). Solch einem methodologischen Fehler erliegen viele Vertreter wissenschaftlicher Kreisen (darunter auch Biblisten, die die Methode Redaktionsgeschichte verwenden, obwohl sie den Text in seiner endgültigen Form wertschätzen).
Denken wir daran zurück, was Papst Benedikt XV im Jahr 1920 in der Enzyklika Spiritus Paraclitus [1], im Fragment u.d.T. „Die historische Wahrheit der Heiligen Schrift“ geschrieben hat.
Besonders wichtig ist hier die Feststellung: „Das oberste Gesetz der Geschichte ist, dass die Beschreibungen mit den Tatsachen, so wie sie sich wirklich zugetragen haben, übereinstimmen müssen“.
Der Papst stellt dann fest, dass die Heilige Schrift keine pseudohistorischen Erzählungen enthält und sie verwendet auch keine Literaturgattungen, „mit denen die Wahrheit des göttlichen Wortes sich nicht restlos und vollkommen vereinigen lässt“ (a.a.O., S. 69).